15 Jahre später: Liebesbankweg – Hahnenklee

Wo: Harz
Wann: August 2023

Es ist fast auf den Tag genau 15 Jahre her, als Spinagel mit unserer ersten gemeinsamen Wanderung auf dem Liebesbankweg die Weiten des Internets um einen Reiseblog bereichert hat (so hoffe ich zumindest). Nach 15 Jahren machen wir uns also noch einmal gemeinsam auf den (Liebesbank)Weg.Der Weg selbst hat sich auf den ersten Blick nicht großartig verändert, rund um den Harzer Ort Hahnenklee findet ihr an einer circa 7 Kilometer langen Stecke 25 Bänke, die die verschiedenen Jahrestage einer Ehe vorstellen. Ein wenig mehr aus der Nähe betrachtet, hat sich aber doch einiges geändert. Auf unserer ersten Wanderung im Jahr 2008 waren die Bänke noch taufrisch (der Liebesbankweg wurde 2007 als erster Premiumwanderweg im Harz eröffnet), inzwischen haben sie altersgemäße Patina angesetzt. Genau wie ich, 2008 noch ohne ein graues Haar, sind die pigmentlosen Kopfhaare inzwischen deutlich in der Überzahl. So lange die Bank noch alle „Besitzer“ aushält und ich einem Zopf aus meinen Haaren machen kann, ist alles in Ordnung.

Liebesbank Blick ins Tal (c) spinagel.de

Liebesbank 2008

Liebesbankweg 2023 in Ehren ergraute Bank

Liebesbank 2023

Liebesbankweg Schlösser 2023

Aber es gibt auch Neues auf dem Weg zu entdecken: die Wand mit den Liebesschlössern. Nachdem dieser Trend auch in Deutschland im Spätsommer 2008 angekommen war und die ersten Liebesschlösser an der Kölner Hohenzollernbrücke gesichtet wurden, hat sich dieser neue Brauch bis in den Harz durchgeschlagen. Ob dieser neue Brauch etwas Gutes ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Auf der einen Seite steht ein Liebesschwur, den sich die Verliebten auch nach Jahren noch ansehen können. Auf der anderen Seite stehen Ereignisse wie der Absturz des Brückengeländers der Pont des Arts in Paris aufgrund des zusätzlichen Gewichts durch circa 93 Tonnen Liebesschlösser und diverse Korrosionsschäden. Außerdem stelle ich mir die Frage, ob ein aufwendig aus begrenzt verfügbaren Rohstoffen hergestelltes Produkt unbedingt eine Einmalverwendung haben sollte …

Wenn sich eins in den letzten 15 Jahren geändert hat, dann mein Verständnis für die Endlichkeit der Ressourcen unserer Natur und mein Unverständnis unseres weiterhin häufig unverantwortlichen Umgangs damit. Dass sich global einiges ändert, bekomme ich auf dem weiteren Weg hautnah mit.

Harz Kalamitäten gerodete Flächen

2008 führte der Liebesbankweg fast ausschließlich durch den Wald und auch im Sommer war es eher zu kalt, als das die Sonne ein Problem war. 2023 hält der Liebesbankweg einige kahle Stellen für uns bereit. Ohne das schützende Blättterdach werden 1000 Meter schnell anstrengend und ohne Lichtschutzfaktor 50 auf der Haut auch ungesund. Ob man den Harz so lassen sollte, wie er jetzt ist (und sich vorraussehbar noch in den nächsten Jahren entwickeln wird), wird viel diskutiert. Ich halte das für keine gute Idee. Ohne gezielten sanften Eingriff durch den Menschen werden wir noch einige Generationen Nadelwald als Nahezu-Monokultur im Harz erleben. Ob das gut für die Böden und sinnvoll bei den Herausforderungen des Klimawandels ist, glaube ich nicht. Kann ich hier im Harz etwas dagegen tun? Nur ganz bedingt. Aus der Erkenntnis, dass es noch ausreichend Ecken gibt, an denen man aktiv anpacken kann, habe ich mit einigen Gleichgesinnten 2019 den Verein Citizens Forests gegründet. Hier packen wir gemeinsam an, um aktiv etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Ich bin eben lieber ein Gestalter als ein Mitläufer. Es gibt genug Menschen in Deutschland, die sich auf ständiges Kritisieren oder „Mimimi“ fokussieren. Schade. Wenn aus dieser Gruppe nur 20 % TikTok, Facebook und andere virtuelle Blasen verlassen würden und den Spaten statt zum Bedrohen des vermeintlich Bösen zum Pflanzen von Bäumen nutzen würden, hätten wir schon eine tolle gesellschaftliche Weiterentwicklung.

Liebesbankweg 2008

Liebesbankweg 2008

Liebesbankweg 2023

Liebesbankweg 2023

Jetzt bin ich aber ganz schön weit vom Liebesbankweg abgewandert. Eine weitere Konstante auf dem Liebesbankweg ist ungefähr auf der Hälfte, gleich nachdem man den Damm des Oberen Grumbacher Teichs überquert hat, das Kaffeehaus Egerland. Essen und Trinken sind immer noch wichtig auf jeder Wanderung und es macht Spaß, regionale Spezialitäten zu verkosten. Manchmal auch fettig, ungesund und mit Fleisch, wenn es sein muss. Beim Essen halte ich mich, wie bei vielen anderen Dingen an Paracelsus, der schon vor 500 Jahren diese recht universelle Erkenntnis hatte: Die Dosis macht das Gift.

Kaffeehaus Egerland Liebsbankweg

Kaffeehaus Egerland

Kurz nach unserer Rast kommt eine weitere Neuerung auf dem Liebesbankweg, die „Allee der Zukunft“. Hier können Verliebte oder andere Interessierte für knapp 300 Euro einen ungefähr 2 Meter hohen Spitzahorn pflanzen lassen. Aus meiner Perspektive ist das schon etwas besser, als ein Liebesschloss aufzuhängen, geht mir aber nicht weit genug. Mit dem Geld könnte man statt einem Baum 100 – 200 Quadratmeter neuen Wald mit mehr als einer Baumart pflanzen. Es ist schon etwas traurig, wenn der einzelne Liebesbaum stirbt. Ein kleiner Liebeswald mit 50 bis 100 Setzlingen hätte deutlich bessere Überlebenschancen und bringt deutlich mehr für den Harz. Ein kleineres Schild und deutlich mehr Bäume, dann ist die Allee der Zukunft etwas dichter am Versprechen, das der Name geben soll. Nur so als kleiner Denkanstoß für die Niedersächsischen Landesforsten

Allee der Zukunft Liebesbankweg

Allee der Zukunft Liebesbankweg

Ein kleines Stück weiter treffen wir auf einen weiteren Bekannten: Das Kneippbecken im Hundertwasserstil. Das habe ich schon 2008 als gutes Beispiel für privates Engagement bewundert. Einfach mal so etwas Schönes für andere gestalten und unterhalten, ohne Gewinnerzielungsabsicht, Wahlkampf oder eigennützige Motive. Das ist ein gutes Beispiel, das dringend mehr Nachahmer braucht.

Kneippbecken im Hundertwasserstil

Kneippbecken im Hundertwasserstil

Nach gut zwei Stunden sind wir wieder zurück in Hahnenklee. Am Liebesbankweg hat sich gar nicht so viel in den letzten 15 Jahren verändert. Was sich verändert hat ist die Umwelt und mein persönlicher Blick darauf.

Eine alte Erkenntnis, die ich schon lange vor meiner ersten Runde auf dem Liebesbankweg hatte, drängt sich am Ende dieser manchmal etwas nachdenklichen Wanderung wieder einmal in den Vordergrund und die möchte ich euch nicht vorenthalten: Wahre Liebe zu erfahren und zu geben ist der stärkste Antrieb im Leben.

Und genau das soll uns der Liebesbankweg letztendlich doch deutlich machen, oder?

Love Liebesbankweg

Love rules

Text und Fotos: Boris Kohnke

Selbst mal anpacken

Wer auch einmal eigenhändig etwas gegen den Klimawandel machen möchte, sollte auf die Webseite von Citizens Forests e. V. schauen und bei einer Pflanzaktion mitmachen.

Meine Mitstreiter und ich haben seit 2019 circa 1.500 Menschen für das Bäumepflanzen begeistern können. Vielleicht treffen wir uns ja mal persönlich und setzen den Spaten gemeinsam sinnvoll ein.

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