Wo: Heiligenhafen Die Sonne scheint erbarmungslos auf unsere Stadt, was liegt da näher, als ein paar Tage an die See zu fahren? Gesagt, getan. Am nächsten Tag packen wir ein paar Sachen ins Auto und fahren an die Ostsee. Unser Ziel ist Heiligenhafen. Hier soll es auch in der Hochsaison noch kurzfristig Ferienwohnungen im Ferienpark geben. Ich gebe zu, die Entscheidung war recht spontan und ich habe vorher nicht gründlich recherchiert, was genau sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt. Der Ferienpark entpuppt sich bei unserer Ankunft als riesiger Betonklotz und erinnert mich verdammt an den Baustil der 70er-Jahre. Auch nachdem wir das Auto geparkt haben, entdecke ich einige Parallelen: die Betonarchitektur der umliegenden Restaurants und Läden, Garagenhöfe wie damals und eine Trinkkurhalle. Ja, das war früher wirklich mal eine angesagte Urlaubsbeschäftigung: Heilwasser trinken und dabei durch die Trinkkurhalle wandeln. Das kann ja heiter werden, denken wir uns, aber wir haben ja auch nur vor, hier zu schlafen. Es ist wirklich problemlos möglich, mitten in der Hauptsaison eine Ferienwohnung für zwei Tage zu mieten. Mit dem Wohnungsschlüsel in der Hand nähern wir uns vorsichtig dem grauen Ungetüm. Der Geruch der Treppenhäuser, die alten Fahrstühle und die Müllschlucker – wenn man sich ein wenig darauf einlässt, ist dies der ideale Ort für eine mentale Reise in die Vergangenheit. Während unserer Fahrstuhlfahrt bewundern wir das Typenschild Baujahr 1972, also alles noch original. Nach der ersten Besichtigung unserer Unterkunft für die nächsten Tage stellen wir fest, dass das Betonmonster von innen gar nicht so schlimm ist. Sieht alles ganz nett aus. Aus dem achten Stock hat man außerdem einen prima Blick auf die Ostsee und ein paar gemächlich in einem See badende Galloways. Vielleicht werden wir uns ja doch nicht nur zum Schlafen hier aufhalten. Auf zur ersten Erkundungstour durch den Ort. Bei der Größe von Heiligenhafen wäre ein Fahrrad ganz praktisch. Hatte ich beim Einparken nicht einen Fahrradverleih direkt vor dem Haus gesehen? Leider hat Willy, der Besitzer, schlechte Nachrichten: „Heute habe ich keine Räder mehr für euch. Kommt morgen kurz bevor ich öffne, dann habt ihr vielleicht eine Chance.“ Genau, da war doch was – Hauptsaison. Weil wir so bedröppelt dreinschauen, gibt uns Willy noch einen Tipp, wo wir am nächsten Morgen richtig gut frühstücken können. Das Frühstück am folgenden Tag bei Kai direkt am Marktplatz von Heiligenhafen ist wirklich so gut, wie Willy uns erzählt hat. Ausreichend gestärkt machen wir uns auf die Suche nach den Galloways, die wir gestern beim Baden beobachtet haben. Eine halbe Stunde später erreichen wir mit unseren knallgelben Rädern die Weide mit dem Rinderfreibad. Die hauptamtlichen Salzwiesenpfleger und ihre Kälber ruhen im Schatten einiger nordischer Eschen. Zum Baden ist es wohl noch etwas zu früh. Die kleinen Belted Galloways Cem, Pia, Kati und Olani beobachten uns interessiert, aber ängstlich. Am liebsten würden wir sie mitnehmen. Wir radeln weiter. Von der Westseite des Heiligenhafener Binnensees in Richtung Ostufer des Sees. Direkt zwischen dem Yachthafen und dem Strand entsteht hier das neue Heiligenhafen. Das „Marina Resort“ mit einem 4-Sterne-Superior-Hotel, einem 3-Sterne-Lifestyle-Hotel und einem in die Dünen gebauten Ferienhausdorf ist zurzeit eines der ehrgeizigsten touristischen Bauprojekte an der Ostseeküste. Ob man in Heiligenhafen die schicke Zukunft auf der östlichen Seite des Binnensees oder einen authentischen Trip in die Vergangenheit im Ferienpark auf der Westseite bevorzugt, kann bald jeder für sich entscheiden. Inzwischen ist uns auch trotz leichter Seebrise deutlich warm geworden. Wir stärken uns schnell mit einem original dänischen Hotdog am Hafen und machen uns dann auf an den Graswarder. Hier im Naturschutzgebiet ist der Strand zwar etwas steiniger, aber auch mitten im Juli hat man hier noch ausreichend Platz. Ein ausgiebiges Bad in der Ostsee ist jetzt genau das Richtige. Ausreichend abgekühlt erkunden wir die 2012 eingeweihte Seebrücke von Heiligenhafen. Auf den 435 Metern Länge finden die Kleinen einen Spielplatz mit interessanten Spielgeräten und die Großen in der Meereslounge einen Platz, um auf gemütlichen Sesseln die Ostsee zu beobachten. Jetzt noch schnell die Fahrräder abgeben, damit wir rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang wieder zurück am Strand sind. Die Ostseelounge, eine Beachbar direkt am Anfang der Seebrücke ist der ideale Platz, um in gemütlichen Liegestühlen bei einem Cocktail den Sonnenuntergang zu bewundern. Mit einer Feuerpoi-Show klingt unser letzter Heiligenhafen-Abend stimmungsvoll aus und wir spazieren durch den Sand zurück in unsere 70er-Jahre-Urlaubsunterkunft am Westende des Binnensees. Als die letzten Galloways auf der Weide aufhören zu muhen, gehen auch wir schlafen und träumen beide von unserer Kindheit. Text und Fotos: Boris Kohnke, August 2014 |
Vergangenheit – Ferienpark Im Ferienpark gibt es eigentlich immer irgendwo eine freie Wohnung. Buchen kann man vor Ort z. B. bei Borsum direkt auf dem Gelände. Zukunft – Marina Resort Wer ein wenig Geld über hat, kann noch eines der neuen Häuser im Marina Resort kaufen. Fahrräder Wer im Ferienpark wohnt, hat Pit’s Fahrradverleih direkt vor der Tür. Frühstücken Direkt am Markt serviert Kai leckeres Frühstück. Markt 10 Sonnenuntergang Den fantastischen Sonnenuntergang über der Ostsee beobachtet man am besten aus der Ostseelounge. Zum Sonnenuntergang auf dem Binnensee schmecken die Fischgerichte auf der Terrasse des Anno 1800. |
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Sehr schön beschrieben ! Muß man mal gesehen haben . Ist für jeden was dabei . In vielen guten Restaurants kann man nicht nur Fisch frisch essen(anno 1800!) preis- Leistung paßt in ganz heiligenhafen . Hier entsteht was richtig schönes . Gerade für junge Familien wirklich interessant.
Danke für die Blumen. Wer mit Kindern nach Heiligenhafen reist wird sich sicher über die vielen außergewöhnlichen Spielplätze für die Lütten freuen. Hier waren die Spielplatzarchitekten wirklich mal kreativ.
Toll und bildlich geschrieben!Zum Glück warst Du noch „2014“ dort.
Ich bin seit meinem letzten Besuch in Heiligenhafen im Juni 2016 erschüttert über die neue Betten-Fabriklandschaft auf dem – ursprünglich – schönen Graswarder.
Warum habt die Stadt und Natur derart verschandelt?
Die Einzigartigkeit von Heiligenhafen ist leider dahin. Echt schade!
2014 war die Baustelle schon in vollem Gange. Ich hatte mich auch schon damals gewundert, wie man für so etwas eine Baugenehmigung bekommt. Wir werden uns das in zwei Wochen mal persönlich ansehen…