Nachts im Buchladen

Wo: Buxtehude – Deutschland
Wann: August 2018

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!“ Etwas überfordert stehe ich mitten in der Buxtehuder Buchhandlung „Schwarz auf Weiß“. Um mich herum Regale, in denen hunderte bunte Buchcover meine Aufmerksamkeit einfordern, vor mir ein langer Tisch mit unbekannten Geschichten in Frauenromanen und Krimis, die alle kurz mal angelesen werden wollen. Bis hierhin nichts Ungewöhnliches für einen Buchladen. Es sind wohl die speziellen Umstände, die mich so nervös machen: Es ist 20.45 Uhr, mein Mann und ich sind allein im Geschäft und uns bleiben noch 12 Stunden Zeit, bis die Buchhändlerin morgen früh den Ladenschlüssel zurückverlangt.

Buxtehude Buchhandlung

Bevor sie heute Feierabend machen konnte, richtete sie uns noch ein Nachtlager. Eine Doppelmatratze, zwei Handtücher, eine Karaffe mit Wasser und zwei Gläser. Was wir sonst noch benötigen, haben wir selbst mitgebracht. Doch wollen wir überhaupt schlafen? Ich will lesen, lesen, lesen. In Eile scanne ich die Titel in den Regalen ab, drehe rastlos meine Runden, ziehe hier eine Biographie aus dem Regal, lege mir dort einen Ratgeber auf ein Tischchen, häufe in der Kreativ-Abteilung einen kleinen Bücherberg an. Da muss ich unbedingt noch reinschauen! Ein kurzer Blick zu meinem Mann. Er sitzt seit 1,5 Stunden entspannt auf seinem Stuhl und hat das erste Buch fast durch. Ich bin erschöpft. Bei sicher 30 Grad im Buchladen ist das auch kein Wunder. Wir machen eine Pause und gehen um die Ecke auf einen Drink ins Entlein.

Buxtehude nachts im Buchladen

Kurz vor Mitternacht sind wir wieder zurück. Mein Mann vermisst eine Technik-Sparte, findet aber trotzdem schnell wieder einen passenden Schmöker und auch ich komme neben meinem kleinen Bücherberg zur Ruhe. Von den sechs unterschiedlichen Sitzplätzen wähle ich einen Sessel nahe der Ladentür. Extrem hell ist es im Raum, denn wir haben die großen Deckenleuchten eingeschaltet, damit uns kein Buchstabe entgeht. Vor neugierigen Blicken schützen uns weiße Vorhänge, die vor die Schaufenster gezogen wurden. Dennoch hören wir die Passanten, die draußen vorbeigehen. Eine Truppe stoppt und eine Frau liest den Zettel vor, der in unserem Schaufenster hängt. „Hier wird heute übernachtet!“ Sie gibt noch ein paar Erklärungen dazu ab, die ich kaum verstehe, denn ihre Stimme entfernt sich schon wieder, das Getrappel der Schritte wird leiser.

Übernachtung im Buchladen Buxtehude

Auch bei uns drinnen ist es still. Ab und zu blättert mein Mann in seinem Buch um. So langsam überfällt mich die Müdigkeit und unausgesprochen steht die Frage im Raum: Wer macht als Erstes schlapp? Ich finde ein lustiges Kinder-Mitmachbuch und halte uns damit ein paar Minuten bei Laune. „Badetag für Hasenkind“ – ich muss so darüber lachen, dass mir die Tränen kommen. Mit einem Jugendbuch verziehe ich mich für ein Stündchen auf die Matratze, um dann irgendwann noch das Gästebuch zur Hand zu nehmen. „Für mich ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen“, lese ich. „Vielen Dank für das Vertrauen“, „Dies war unsere siebte Büchernacht“, und „Magisch. Tollster verschobener Junggesellinnenabschied ever“ schrieben weitere begeisterte Übernachtungsgäste.

Frühstück am Fleth Buxtehude

In der Ladentür dreht sich ein Schlüssel. 4.45 Uhr, der Bücherlieferant kommt und bringt bestellte Ware. Stimmt, er wurde uns in der „Gebrauchsanweisung“ angekündigt. Blitzschnell ist der Bote wieder draußen und wir nutzen die Unterbrechung, um vernünftig zu sein. Noch gut drei Stunden Schlaf sind möglich, bis wir die Bücher, von denen wir uns nun nicht mehr trennen möchten, bezahlen und unsere außergewöhnliche Herberge wieder verlassen müssen. Etwas wehmütig schließen wir die Augen. Was für eine unvergessliche Nacht.

Text: Petra Nickisch-Kohnke, August 2018
Fotos: Boris Kohnke

Frühstück am Fleth

Zum Übernachtungs-Paket in der Buchhandlung Schwarz auf Weiß gehört neben einem Büchergutschein auch ein Frühstück im nahen Café Süße Sünde. Jeder kann sich hier auf der Karte per Kreuzchen sein Lieblings-Frühstück zusammenstellen. Die große Auswahl reicht von Johannisbeergelee über Feta-Oliven-Creme bis Rührei mit Krabben.

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