Wo: Speyside, Schottland Von Westen her zieht ein leichter Whiskyduft über die Nordsee und lockt uns auch dieses Jahr wieder über den Ärmelkanal. Dieses Mal ruft uns die Speyside nach Schottland. Speyside bezeichnet weder eine geographische Region noch einen Verwaltungsbezirk, sondern umgrenzt in einem Gebiet entlang des Flusses Spey über die Hälfte aller schottischen Whiskybrennereien. Ein echtes irdisches Paradies also für uns Whiskyliebhaber. Wie schon letztes Jahr schiffen wir uns mit unserem Auto in IJmuiden ein. Die Princess Seaways trägt uns über Nacht auf die britische Insel. Nachdem wir die weit vor der niederländischen Küste liegenden Offshore-Windkraftanlagen passiert haben, treffen wir auf die ersten schottischen Botschafter: Drei Bag-Piper nutzen das gute Wetter und geben ein spontanes Konzert auf der Backbordseite des Sonnendecks. Trotz des fehlenden Kilts und der französischen Herkunft der Piper-Gruppe ist uns schon jetzt ganz schottisch zumute. Wir lassen den Tag bei einem spektakulären Sonnenuntergang mit einem echten englischen Ale ausklingen, anschließend träumen wir in unseren Kojen schon von der Insel und dem Start unserer Reise in Newcastle. Am nächsten Morgen lassen wir das Frühstück ausfallen und genießen statt dessen lieber vom Oberdeck aus die Einfahrt in den Tyne. Gemächlich geht es vorbei an den neu erbauten Wohnhäusern der Waterfront und den zerfallenden Überresten der einstmals stolzen Werften. Von Newcastle bis zu unserem Ziel Shenval haben wir noch ein paar Stunden Autofahrt vor uns. Nachdem wir genügend Zeit hatten uns auf dem Motorway bis Perth an den Linksverkehr auf der Insel zu gewöhnen, führt uns unser Weg Richtung Cairngorms National Park über die typischen schottischen Landstraßen und single-track-roads. Irgendwo hinter Dunkeld sehe ich beim schwungvollen Ausweichen vor dem Gegenverkehr aus den Augenwinkeln ein seltsames Schild – Ein LKW der mit frei schwebenden Rädern mittig auf einer seltsamen Beule aufsitzt. Was uns die Schotten damit sagen wollen sehen wir hinter der nächsten Kurve: Eine Brücke, die offensichtlich ursprünglich nur für den schottischen Highlander hoch zu Roß geplant war. Wer hier versucht mit etwas längerem als einem normalen PKW auf die andere Seite des Flusses zu kommen oder wessen Auto tiefergelegt ist wird unweigerlich wie der LKW auf dem Schild hängen bleiben. Dass es einige Fahrer trotzdem versucht haben können wir an den tiefen Scharten im Teer auf der Kuppe deutlich erkennen. Unser Weg führt uns weiter durch die schroffen schottischen Highlands bis zu unserem Cottage in der Nähe von Dufftown. Der Wahlspruch der Einwohner „Rome was built on seven hills, Dufftown stands on seven stills“ (Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, Dufftown steht auf sieben Brennblasen) hat uns zugegebenermaßen etwas bei der Auswahl unseres Zielortes beeinflusst. Sieben aktive Destillen gleichzeitig gab es nur selten in Dufftown, trotzdem ist die Fahrt durch den Ort für jeden Whiskyfreund eine Offenbarung, hinter fast jeder Ecke lugt das typische Pagodendach eines Kiln (Dörrbodens) hervor. Hier werden wir in den nächsten sechs Tagen viel zu sehen bekommen. Ein paar Meilen außerhalb von Dufftown liegt endlich unser Cottage. Wie hatte es unsere Vermieterin geschrieben? Das dritte Haus hinter dem weißen Farmschild auf der linken Seite (wenn ihr am Pub vorbeifahrt seid ihr zu weit), die Tür ist offen, der Schlüssel liegt auf dem Tisch und im Kühlschrank ist eine Flasche Wein für euch. Enjoy your stay. Hier ist die Welt noch in Ordnung. So etwas sollte man in Hamburg gar nicht erst versuchen, hier wäre mindestens der Wein leer. Noch ist es hell. Eine Brennerei schaffen wir heute noch, also kurz die neue Bleibe beschnuppert, das Auto entlastet, einen neuen Akku in die Kamera gelegt und natürlich alle Türen unseres Cottages ordentlich abgeschlossen. Bei Glenfiddich findet mindestens jede Stunde eine Führung statt. Also zurück nach Dufftown. Glenfiddich ist uns als eher günstiger Single-Malt-Whisky bekannt, die markante dreieckige, grüne Flasche des 12-jährigen findet man im Regal vieler großer Lebensmittelmärkte. Aber Glenfiddich hat durchaus auch einige Spitzenwhiskys zu bieten. Die seit Beginn im Besitz der Familie Grant befindliche Brennerei ist mit ihrem Produktionsvolumen von gut 10.0000.000 Litern eine der größten und erfolgreichsten Destillen in Schottland. Der Erfolg ist sicherlich mit darauf zurück zu führen, dass Glenfiddich als eine der ersten Brennereien schon 1963 auf die Vermarktung von Single-Malt-Whisky gesetzt hat. In der Brennerei angekommen erschrecken uns die beiden Spanier, die schon auf die nächste Führung warten, ein wenig. Laut klimpernd schwenken sie die Eiswürfel in ihrem Single-Malt. Single Malt auf Eis? Zum Glück halten es die Schotten hier very british und rümpfen nur leicht die Nase. Auch wenn wir schon viele Brennereien gesehen haben, die 18 Brennblasen mit ihren knapp 5.000 Liter Volumen je Still sind schon beeindruckend. Beim abschließenden Tasting werden uns drei Single-Malt-Whiskys auf einem Untersatz serviert, der die Geschmacksnuancen nicht nur in Worten beschreibt, sondern sie auch mit Bildern von Bratäpfeln, Birnen und Zimtstangen illustriert. Einer unserer spanischen Begleiter fragt ernsthaft entrüstet, wann denn die Früchte und Gewürze in den Whisky gegeben werden, das hätte er bei der Führung gar nicht gesehen. Kaum ist das Grinsen bei uns und unserem Führer verschwunden und ein für beide Seiten akzeptabler Ausweg aus diesem Fauxpas gefunden. Möchte der andere Spanier Cola und ein paar Eiswürfel haben. Da verliert unser Guide dann doch ein wenig die Fassung sagt kurz „sorry this is not possible“ und verschwindet irgendetwas vor sich hin murmelnd auf Nimmerwiedersehen durch eine Tür auf der „Staff only“ steht. Wer hätte gedacht, dass man einen gestandenen Highländer im Kilt mit einem Softdrink und ein wenig gefrorenem Wasser so aus der Fassung bringen kann? Wir haben genug Spaß für diesen Tag gehabt und ziehen uns mit ein paar unbekannten Single-Malts von Glenfiddich zum Tasting an das Kaminfeuer unseres Cottages zurück. Am nächsten Tag steht unter anderem die Destille Aberlour auf dem Plan. Der 10-jährige Aberlour war mein erster Single-Malt, Grund genug sich die Brennerei einmal genau anzusehen. Vor Ort müssen wir leider feststellen, dass es zurzeit keine Führungen gibt. Uns bleibt nur das kleine Torhaus, das aussieht, als ob es auch genau so in Schlumpfhausen stehen könnte, aber das Aberlour-Visitor-Center beherbergt. Mit einem Polo als Beute geht es weiter zu Glen Grant. Diese Brennerei gehört, wahrscheinlich auch durch die guten Beziehungen des ehemaligen Besitzers Major Grant nach Italien heute zur Campari-Gruppe und ist die Einzige schottische Single-Malt-Marke des italienischen Konzerns. Eine Besichtigung ist nicht nur für Whiskyliebhaber empfehlenswert, Major Grant legte einen victorianischen Park mit spektakulären Brücken und vielen wunderschönen Blumen an, der bis heute erhalten wird. Unseren Guide bei der Führung durch die Destille teilen wir uns hier mit drei englischen Mädchen, die sich alles artig anhören, aber hin und wieder bemerken, dass das alles gar nicht so spannend wäre. Als sie uns beim abschließenden Tasting erzählen, dass sie eigentlich gar keinen Whisky mögen und die bereitgestellten Whiskys vor dem Trinken mit mindestens der dreifachen Menge Wasser verdünnen, sind wir etwas verwundert. Diese Engländerinnen scheinen einen ganz anderen Bezug zum Single-Malt zu haben als wir. Trotzdem trinken sie alle drei Drams Whisky brav aus. Als wir auf dem Weg nach draußen aufschnappen, dass die Truppe mit dem Auto da ist und gerade geklärt wird wer fährt, sind wir vollends verwirrt. Von uns beiden würde schon nach dem ersten Dram keiner freiwillig Auto fahren. An diesem Tag führt uns unser Weg noch nach Keith zu Strathisla. Die 1786 gegründete Destillerie mit ihrer charakteristischen Doppelpagode ist die älteste in Betrieb befindliche der Speyside. Während der Führung kommt der Chemiker in mir durch und ich stelle eine Frage zur Umsetzung der Feints im Destillationsprozeß. Unsere Führerin kann die Frage erwartungsgemäß nicht beantworten, meint aber das wird der General Manager mit seinen über 30 Jahren Erfahrung bestimmt wissen. Später beim Tasting holt sie kurzerhand den Geschäftsführer der Brennerei, der nachvollziehbar erklärt, wie die Feints in einem Kupfer-Still chemisch umgesetzt werden. In unserer Woche in der Speyside besuchen wir noch viele andere Destillen und lernen wieder ein wenig mehr über das Geheimnis hinter gutem schottischen Single-Malt. Mehr zu den anderen Destillen gibt es im Bereich Whisky. Da wir nach allen besuchten Destillen noch immer die eine oder andere Wissenslücke haben, was den klassischen Herstellungsprozess von Whisky angeht, besuchen wir die ehemalige Brennerei Dallas Dhu. In diesem Museum kann man nicht nur die Produktionsweise von Single-Malt nachverfolgen, sondern sieht auch was sich im Laufe der Jahre im Produktionsgang verändert hat. Wer die A 95 von Aberlour nach Grantown-on-Spey fährt, sollte unbedingt an der Tormore Distillery anhalten. Das schöne Gebäude und die Gartenanlagen davor sehen zwar aus, als ob sie schon mindestens 100 Jahre auf dem Buckel hätte, alles wurde aber erst 1958 erbaut. Der Geschmack eines Whiskys hängt nicht nur vom verwendeten Destillat ab, sondern entstammt zu einem großen Teil aus den bei der Reifung verwendeten Fässern. Nur wenige Brennereien wollen oder können sich heutzutage noch eigene Küfer leisten. Ein Großteil der in der Gegend verwendeten Fässer stammt aus der Speyside Cooperage, aber das ist eine separate Geschichte. Zwei Ziele sollte jeder Whiskyliebhaber mit in seine Reiseplanung für die Speyside einbeziehen. Besonders die Glasvitrine im kleinen Gastraum sollte man sich sorgfältig ansehen, so viel alte Single-Malts gibt es sonst sehr selten zu sehen. Für alle, die noch einen speziellen Whisky für zuhause suchen ist ein Besuch in Elgin bei Gordon & McPhail Pflicht. Hier findet man eine riesige Auswahl an Single-Malts direkt aus den Destillen oder von unabhängigen Abfüllern und das teilweise zu für die Insel unüblich niedrigen Preisen. Die Besitzer von Gordon&McPhail haben sich 1993 einen lang gehegten Traum erfüllt und selbst eine Brennerei gekauft. Nach einer Grundsanierung eröffnete Prinz Charles die Brennerei 1998 und signierte das erste Fass Benromach. Benromach produziert auf eine sehr klassische Art mit viel Handarbeit hervorragenden Single-Malt. Mit dem „Peat Smoke“ bekommt der Whisky-Liebhaber hier auch einen leckeren, für die Speyside unüblich rauchigen Whisky. Nach 6 viel zu kurzen Tagen machen wir uns auf den Rückweg Richtung Deutschland. Die Zeit war gerade ausreichend für einen kurzen Überblick über diese spannende Whiskyregion. Wir kommen bestimmt noch einmal wieder. Text und Fotos: Boris Kohnke |
Verliebte Fasane
Eines nervt uns die ganze Zeit kolossal – die verliebten Fasane. Überall stolzieren sie über die Straßen und lassen sich auch durch herannahende Autos nicht beeindrucken. Bei einem ganz hartnäckigen Exemplar drehen wir den Spieß um. Als der Fasan uns endlich vorbei lässt und wir ihn in Schrittgeschwindigkeit überholen, reiße ich direkt neben ihm die Autotür auf und springe heraus. Der Fasan ist so erstaunt, dass er bei seiner Flucht einen Begrenzungspfahl streift. So schnell wird der nicht wieder probieren ein Auto auszubremsen. |
Schottland als ein Paradies zu bezeichnen ist ohne hin schon eine Seltenheit. Dabei gibt es in diesem schönen Land so viel zu sehen. Tolle Fotos, danke für den Beitrag.
Lg
Wolfgang
Das Paradies ist Schottland natürlich auch wegen seiner tollen Landschaft und den sehr offenen Menschen. So rundum paradiesisch wird es aber erst für den Whisky-Liebhaber 😉
Sehr toll und interessant! Auch schöne Photos! Danke für guter Artikel!