Am 9. Juli 2015 wird im EU-Parlament über eine Novellierung der EU-Richtlinie 2001/29 debattiert und abgestimmt. Sollte der jetzige Entwurf ohne Änderungen durchgehen, wird dies weitreichende Folgen haben. Vor allen Dingen Reiseblogger und Reisemagazine gehören zu den Leidtragenden. Aber auch mit Urlaubsfotos auf der privaten Homepage oder bei Facebook und Co. muss man dann extrem aufpassen.
Was gilt zurzeit?
Bei Bildern auf der eigenen Internetseite oder in Social-Media-Kanälen muss man sowieso schon recht viel bedenken, unter anderem das Urheberrecht. Für das Gebäude auf dem Bild oben (für allen Nicht-Nordlichter, das ist die Elbphilharmonie in Hamburg) liegt das Urheberrecht bei den Architekten Herzog & de Meuron. Das gilt auch für Abbildungen von diesem Gebäude. Das deutsche Urheberrechtsgesetz sieht aber mit der sogenannten Panoramafreiheit eine Erleichterung vor. Solange ich das Gebäude (oder auch Kunstwerk) von einem öffentlichen Platz aus fotografiere und sich das Objekt dauerhaft an demselben Platz befindet, darf ich die Bilder veröffentlichen und sogar kommerziell nutzen. Also Elbphilharmonie von einer öffentlichen Wasserstraße aus geht.
Was soll sich ändern?
Versteckt unter Punkt 46 im Richtlinienentwurf ist der Satz, der es in sich hat: Bei kommerzieller Nutzung eines Fotos von einem dauerhaft installierten urheberrechtlich geschützten Werk wird zukünftig eine Lizenz des Urhebers benötigt.
Die kommerzielle Nutzung beginnt hierbei schon recht früh, blende ich hin und wieder ein Werbebanner ein (wie auf spinagel manchmal unterhalb des Artikels) ist das automatisch eine kommerzielle Nutzung. Wer bei Facebook oder Twitter die Nutzungsbedingungen genau durchliest, stellt schnell fest, dass jedes gepostete Foto kommerziell genutzt wird.
Was bedeutet das konkret?
Im konkreten Fall müsste ich vor einer Veröffentlichung meines Fotos die Architekten Herzog & de Meuron kontaktieren. Fraglich ist, ob ich überhaupt eine Antwort bekommen würde. Wenn jeder, der die Elbphilharmonie fotografiert die Architekten kontaktiert, brauchen diese sicherlich ein paar zusätzliche Angestellte. Falls ich doch eine Antwort bekomme, werde ich mit ziemlicher Sicherheit eine Lizenzgebühr zahlen müssen. Die neuen Angestellten werden sicherlich nicht umsonst arbeiten.
Sollte ich keine Antwort bekommen, bleibt mir zur Vermeidung eines Rechtsstreits nur noch das:
Das mag in diesem Artikel noch recht niedlich aussehen, stellt euch aber bitte die fatalen Auswirkungen auf z. B. Wikipedia und andere Onlinelexika vor.
Welche Regelungen existierten im restlichen Europa?
Grafik: Panoramafreiheit in Europa (Made by King of Hearts based on Quibik’s work [CC BY-SA 3.0]
Dunkelgrün: Panoramafreiheit auch für Kunstobjekte
Hellgrün: Panoramafreiheit für Gebäude
Gelb: Panoramafreiheit bei nicht kommerzieller Nutzung
Rot: Keine Panoramafreiheit
Sollte der Änderungsantrag der Urheberrechtsrichtlinie Erfolg haben wären alle EU-Länder tieforange.
Kann ich etwas dagegen tun?
Man kann (begrenzt) Einfluss auf die Entscheider nehmen, indem man z. B. eine Onlinepetition unterzeichnet oder die Fakten wie z. B. diesen Artikel mit anderen teilt. Der Königsweg ist sicherlich, seinen EU-Abgeordneten persönlich per Mail, Facebook oder Telefon zu kontaktieren und deutlich zu machen, warum der Wegfall der Panoramafreiheit nicht akzeptabel ist.
Nachtrag
Die Abstimmung des EU-Parlaments ist vorbei, eine überwältigend große Mehrheit hat gegen den Vorschlag zur Einschränkung der Panoramafreiheit gestimmt. Die Veröffentlichung des Selfies vor dem Bundestag wird also weiterhin genau so erlaubt sein, wie die Bilder von der Elbphilharmonie auf Spinagel. Die verlinkte Onlinepetition ist übrigens von mehr als 550.00 Befürwortern unterzeichnet worden, in der Kürze der Zeit ein beeindruckendes Ergebnis.